St. Goarshausen, Galerie Stadtmühle, 06. August 2017.
„Die schöne Müllerin“ verstand es, in der vielseitigen Galerie rund hundert Zuhörer zu begeistern. Dass „Romantik pur“ im Zeitalter von Facebook und Smartphone noch Menschen aller Altersgruppen so mitzureißen vermag, lag gewiss an den zwei meisterlichen Interpreten, doch vielleicht auch an der besonderen Atmosphäre der ehemaligen katholischen Pfarrkirche, lange ein Getreidesilo und heute ein Musentempel ganz besonderer Art.
Über eine Stunde lang hatten die Gäste Gelegenheit, Atelier und Galerie von Evelyn Sattler zu bewundern, ehe Professor Siegbert Sattler das so unerwartet zahlreiche Publikum sichtlich erfreut begrüßte, unter ihnen zwei „eiserne“ Hochzeitspaare. Er stellte die Künstler der „Sankt Goar International Music Festival and Academy“ vor, die jährlich über siebzig hochkarätige Musikveranstaltungen ins Mittelrheintal bringt. Herzlich begrüßte das Publikum Bariton Falko Hönisch, Gründer der Musikakademie und erfolgreicher Opernsänger, und den international bekannten Gitarristen Volker Höh.
Franz Schubert komponierte 1823 „Die schöne Müllerin“, einen Liederzyklus für Singstimme und Klavier. Dass hier Volker Höh mit seiner Gitarre die Begleitung übernahm, war ein Glückstreffer. Kongenial und höchst einfühlsam wurde er seiner schweren Aufgabe gerecht. Bariton Falko Hönisch, der den Inhalt des Liederzyklus in knappen Worten zu umreißen wusste, zog alle Register seines Könnens. Sein voller Bariton brauchte keine elektronische Verstärkung, und selbst seine zarte Kopfstimme war bis in den letzten Winkel zu verstehen.
Schuberts romantisches Werk schildert das traurige Schicksal eines Müllergesellen auf Wanderschaft, der einem Bachlauf folgt und zu einer Mühle gerät. Seine heftige Liebe zur schönen Tochter seines neuen Meisters bleibt unerwidert: „Dein ist mein Herz und soll es ewig bleiben!“ Doch die junge Müllerin zieht einen selbstbewussten Jäger vor, und der liebeskranke Geselle ertränkt sich in dem Bach, der wie ein Lebewesen auftritt.
„Mein Schatz hat’s Grün so gern“ hat Schubert sicher nicht politisch gemeint. Die insgesamt zwanzig Lieder wechseln von jauchzender Lebenslust bis zum elegischen Weltschmerz, von heiterer Beschwingtheit bis zu tiefster Verzweiflung. Da wird die Bedeutung des Wanderns anno 1823 als Ausdruck von Freiheitsliebe ebenso klar vermittelt wie das romantische Schwärmen in Natur.
Nicht enden wollte der Beifall für die beiden Künstler, die sich schließlich mit einer vom Publikum gewünschten Zugabe bedankten: dem Lied „Der Müller und der Bach“. Es stellt ein Zwiegespräch dar. In Moll singt der bereits ertrunkene Müllerbursch von seinem Herzeleid, in Dur versucht ihn der Bach zu trösten: „Wo ein treues Herze in Liebe vergeht…“
Wie immer in der Galerie Stadtmühle, bestand vor Beginn der Aufführung, in der Pause und nach dem Event die Gelegenheit, die Gastfreundschaft der gesamten Familie Sattler auf die Probe zu stellen an kleinen kulinarischen Genüssen und einem breiten Getränkeangebot.
Foto: Prof. Siegbert Sattler